Rückblick 4. Deutscher Geotechnik-Konvent
Bereits zum vierten Mal in Folge fand am 01.–02.03.2018 der Deutsche Geotechnik-Konvent statt. Getagt wurde bei der vierten Ausgabe des Branchentreffs in einer ganz besonderen Location – in dem UNESCO-Welterbe Zeche Zollverein in Essen. Auf 38 Meter Höhe und mit Panoramablick über das Ruhrgebiet ging es um das stets aktuelle und viel diskutierte Thema “Zeitgemäßes Bauen” und um die Frage, welche Rolle die Geotechnik dabei spielt.
Anfang März versammelten sich wieder zahlreiche Bausachverständige, Geotechniker, Architekten und Ingenieure aus ganz Deutschland, um am 4. Deutschen Geotechnik-Konvent teilzunehmen. Die Veranstaltung fand in diesem Jahr im Herzen des Ruhrgebiets statt, in der Zeche Zollverein in Essen. Zollverein bot mit seinem industriell-historischen Hintergrund die perfekte Kulisse für das Schwerpunktthema des Branchentreffs: “Zeitgemäßes Bauen”.
In das Schwerpunktthema eingeführt wurden die Konventteilnehmer mit dem ersten Vortrag, von Dipl. Architekt Thorsten Schulze von der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen GmbH (ARGE-SH). In seinem Vortrag über systematische und praxisnahe Konzepte für leistbaren Wohnraum ging es um zeitgemäßes Bauen in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. So präsentierte er die typischen, seiner Zeit zeitgemäßen, entstehenden Siedlungen aus den 50er Jahren und ging auf die damaligen Gegebenheiten und Regierungsprogramme ein, die diese Art des zeitgemäßen Bauens gefördert haben. Zum gegenwärtigen zeitgemäßen Bauen nahm Schulze insbesondere Bezug auf die veränderten Anforderungen an den (sozialen) Wohnungsbau und erörterte verschiedene Bauweisen von Wohnhäusern, die den heutigen Ansprüchen gerecht werden. Den Ausblick in die Zukunft gewährte Schulze im Rahmen eines Schülerwettbewerbs, der von der ARGE ins Leben gerufen wurde. Die von den Schülerinnen und Schülern ausgearbeiteten Wohnkonzepte gaben den Konventteilnehmern eine Idee, wie wir im Jahre 2086 wohnen könnten.
Schlechter Baugrund ist geotechnisch beherrschbar
Über Themen, die sich weiter unterhalb der Erdoberfläche abspielen, referierte Dr.-Ing. Peter Grubert von der GGU Gesellschaft für Grundbau und Umwelttechnik mbH. Er erläuterte in seinem Vortrag “Auf schlechtem Baugrund” Einflüsse und Gegebenheiten, die sich negativ auf den Baugrund auswirken. Grubert zeigte gleichzeitig auf, unter welchen Bedingungen auch schlechter Baugrund geotechnisch beherrschbar wird und wie mit Baugrund als Abfall umgegangen wird. So war die Quintessenz seines Vortrags, dass das Studieren geologischer Karten und Baugrunderkundungen unabdingbar ist, um geeignete Maßnahmen für die Gründung von Bauten auf schlechten Baugründen festzulegen. Abschließend präsentierte er Fallbeispiele mit Objekten, die durch geeignete Maßnahmen erfolgreich auf schlechten Baugründen gegründet und erbaut werden konnten.
“Auf sandigem Baugrund” lautete der Vortrag von Prof. Dr.-Ing. Architekt Paul Kahlfeldt aus Berlin. Sein Spezialgebiet ist die Revitalisierung und Umnutzung von Industriegebäuden. Prof. Kahlfeldt gilt als Vertreter der klassischen Bauweise. Er selbst arbeitet gerne mit Stilmitteln aus früheren Epochen, wie Säulen oder Eingansportalen und holt sie in die Moderne. Mit einem charmanten Seitenhieb verwies er auf das – nach seinem Geschmack – nicht sehr ideenreiche Design einiger Bauwerke, die in der heutigen Zeit entstehen.
Gute Planung ist das A und O
Dass Großbaustellen nicht wie der Flughafen Berlin-Brandenburg oder Stuttgart21 enden müssen, stellte Dr. Achim Jaup unter Beweis. Er ist Projektverantwortlicher im Bereich Spezialtiefbau bei der Fraport AG und betreut den Bau des neuen Terminal 3 am Frankfurter Flughafen, der aktuell größten Baustelle Deutschlands, gemessen am ausgeschriebenen Bauvolumen. Dr. Jaup erläuterte den interessierten Zuhörern den Prozess zur Planung und Erstellung der Baugrube und ging dabei auch auf Hürden und Problemstellungen ein. Seine Kernaussage: Gute Planung und Vorarbeit sind das A und O.
Nicht immer reicht eine gute Planung aus, um Objekte auf Ewigkeit schadendsfrei zu halten. Besonders dann nicht, wenn der Baugrund sich verändert. Prof. Dr.-Ing. Richard Herrmann präsentierte einen Sanierungsfall der besonderen Art, denn das Objekt galt als nicht sanierbar. Es handelte sich dabei um die Sanierung des Baugrunds unter einer Kirche in Bockenfeld. Prof. Herrmann erörterte die Baugeschichte der Kirche sowie Schadensverlauf und bisherige Sanierungsansätze. Als Verantwortlicher und Beauftragter für die geotechnischen Untersuchungen und für die Erarbeitung eines Sanierungskonzepts, legte er den Konventteilnehmern dar, welche Maßnahmen letztendlich zum nachhaltigen Erfolg der Sanierung beigetragen haben. Unter anderem konnte die Problematik im Baugrund mit dem URETEK-Verfahren gelöst werden. Dipl.-Ing. Axel Bergforth, Technischer Berater bei URETEK, veranschaulichte den Zuhörern die Durchführung der Maßnahme mit mitgebrachten Utensilien, die bei der Baugrundsanierung zum Einsatz kamen. Im Nachgang durchgeführte Kontrollprüfungen in Form von Rammsondierungen bewiesen den Erfolg des Sanierungskonzepts.
Das Bauen neu denken
Mit dem Blick auf wachsende Bevölkerungsstrukturen und zunehmender Wohnraum‑, Ressourcen- und Energieknappheit stellte Dr. Thorsten Klaus die visionäre Idee des AH Aktivhaus-Gründers Werner Sobek vor. Mit dem Ziel “…das Bauen neu zu denken” entwickelte die AH Aktivhaus GmbH modulare Häuser, die sog. Aktivhäuser, die konsequent Energie aus regenerativen Quellen erzeugen sollen. In erster Linie verfolge man damit ökonomische, ökologische und soziale Ziele, was Dr. Klaus an einem Pilotprojekt in Winnenden, bei dem 38 Module für eine Anschlussunterbringung benötigt wurden, veranschaulichte. Er betonte, dass Aktivhäuser wegen der modularen Bauweise flexibel einsetzbar und komplett recyclebar sind, sodass Grundstücke ohne Altlasten zurückbleiben.
Zeitgemäß, aber ganz und gar nicht um geotechnische Themen, ging es in dem letzten Vortrag des Konvents zu. Jonas Geissler vom Institut für Zeitberatung gab den Konventteilnehmern mit seinem Vortrag “Time is honey” einen Gedankenanstoß zum klugen Umgang mit der Zeit an die Hand. Geissler beschrieb dabei die verschiedenen Epochen des Zeithandelns und wie sich diese im Laufe der Vormodernen, Modernen und Postmodernen verändert haben. So lebten wir in der Vormodernen eher nach einem Rhythmus, wohingegen wir in der heutigen Zeit getaktet und durch die Digitalisierung zunehmend beschleunigt leben. Geissler zeigte den Teilnehmern auf, dass diese anhaltende Beschleunigung problematische Folgen mit sich trägt. So entstehen erhöhter Entscheidungs‑, Koordinations- und Selbstoptimierungsdruck sowie dauerhafte Überlastung und rasender Stillstand. Der Zeitberater legte den Konventteilnehmern nahe, sich wieder mehr Zeit für die Zeit zu nehmen, diese vielfältig zu nutzen und sich vor allem Grenzen zu setzen.
Lebendige Industriegeschichte
Damit auch die Konventteilnehmer die Zeit am Veranstaltungstag vielfältig nutzen und sich ein wenig die Beine vertreten konnten, stand nach dem Vortragsprogramm eine Zechenführung an. Mit den Zechenführern, die aus ihrer eigenen Erfahrung als Zechenmitarbeiter sprechen konnten, wurden Charme und Geschichte der Zeche Zollverein für die Teilnehmer zum leibhaftigen und greifbaren Erlebnis.
Ganz im Zeichen des Networkings stand das Abendprogramm des Konvents. Nach dem Tagungsprogramm und der Zechenführung fanden sich die Teilnehmer erneut im Erich-Brost-Pavillon auf 38 Meter Höhe ein, um das Nachtflair des Ruhrgebiets bei Speis und Trank zu genießen und den Konvent bei anregenden Gesprächen, gemütlich ausklingen zu lassen.
Beendet wurde der Konvent schlussendlich am nächsten Tag mit den Exkursionen zur Veltins-Arena in Gelsenkirchen und zur Villa Hügel in Essen.